Donnerstag, 10. September 2015

Tag 1324

Es folgt nun wieder eine Paszage aus dem Tagebuch des Mortimer Laibovitz.


26.05.1972

Die letzten Tage habe ich mehr oder weniger bewusztlos verbracht.
Die giftigen Daempfe, von welchen ich umgeben bin, sorgen dafuer, dasz ich die wildesten Halluzinationen habe. Von meinen Traeumen ganz zu schweigen.
Gestern Nacht habe ich mein gesamtes, bisheriges Leben im Traume noch einmal gelebt, allerdings in Form eines Zwergpudels.
Meine Verstand befand sich abwechselnd in einem wachen, klarem oder in einem schlaefrigen, komatoesen Zustand. Hinzu kam, dasz sich, seitdem ich die Pizzakartons zu mir genommen hatte, mein Darm teilweise ungewollt und schwallartig von selbst entleerte.
So lag ich also bewusztlos in meinem Stuhl, bis mich der naechtliche, tropische Regenschauer sauber spuehlte.
Aufgrund des Durchfalls war ich sehr geschwaecht. Ich bestand nur noch aus Haut und Knochen.
Wenn nicht bald etwas geschehen sollte, ein Wunder zum Beispiel, so wuerde ich hier versterben.
Noch nie fuehlte ich mich dem Tode so nahe. Gleichgueltig war ich bereit, ihn Willkommen zu heiszen.
Angst hatte ich keine, doch hatte ich mir meinen Tod anders vorgestellt. Nicht so wie er mich jetzt ereilen sollte, vollgeschiszen und auf einem riesigen, schwimmenden Muellberg liegend, mitten auf dem Ozean.
Wieviel Zeit mir noch blieb, wuszte ich nicht, es war mir auch egal.
Im Geiste befand ich mich noch einmal kurz auf dem verunglueckten Kreuzfahrtschiff. Vor meinem inneren Auge spielte sich der letzte Abend noch einmal ab.
Ich erinnerte mich, dasz ich im Casino meine ganzen Ersparnisze verspielt hatte. 
Unbewuszt legte sich ein schmunzeln auf meine Lippen. Das Geld wuerden die Idioten niemals zu Gesicht bekommen.
Nachdem ich das Casino verlaszen hatte, besoff ich mich mit einer Flasche Scotch, die ich dem Barkeeper entwendet hatte. 
Ich weisz noch, dasz ich es bis in meine Koje geschafft hatte.
Alle weiteren Ereignisze sind in meinem Gedaechtnis nicht mehr auffindbar.
Wie es zu dem Schiffbruch kam, wie ich das Unglueck ueberlebte und auf die Insel gelangte, all das weisz ich nicht.
Die Kreuzfahrt war ein Geschenk meiner Eltern gewesen. 
Wie es ihnen jetzt wohl ginge? Ob sie schon von meinem Verschwinden gehoert hatten? 
In meinen Gedanken war ich bei ihnen. Wie gerne haette ich sie vor meinem Tode noch einmal gesehen. 
Mit Traenen in den Augen lege ich das Tagebuch fuer heute bei Seite. 
Wenn dies meine letzten Zeilen gewesen sein sollte, so moechte ich festhalten: Lebt wohl, ihr lieben Eltern! Leb' wohl, du triste Welt! Leb' wohl, verdammter Muellberg! Leb' wohl, elender Ozean! 


Fortsetzung...






Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen