Ich vertrage keinen Whiskey, davon fallen meine Blaetter aus.
Vielleicht nicht mehr Mitte Juni 1972
Kaum zu glauben, was sich heute zugetragen hat!
Als ich, wie jeden Morgen, von der Mittagszonne geweckt wurde, konnte ich kaum glauben, was ich da neben meinem Flosz sah.
Keine fuenf Meter von mir entfernt trieb ein Mensch auf einem Fasz an der Waszeroberflaeche.
Ich spritzte mir etwas Meerwaszer ins Gesicht, um sicherzustellen, dasz ich nicht traeumte.
Dies war kein Traum, ich war wach.
Regungslos harrte der menschliche Koerper auf dem Fasz aus.
Beim genaueren Betrachten, konnte ich das Heben und Senken des Thorax sehen. Die Person war also noch am Leben.
"Hey!", schrie ich laut, um mich bemerkbar zu machen.
Paddelnd naeherte ich mich dem Fremden.
Als ich am Fasz angekommen war, sah ich, dasz es sich um einen maennliche Person, ungefaehr in meinem Alter, handelte.
Mit meinem Fusz stiesz ich an das Fasz, um zu sehen, ob der Typ davon wach wuerde.
Er tat es nicht. Wahrscheinlich, so dachte ich, war er einfach viel zu schwach.
Ich zog ihn zu mir auf mein Flosz.
Auf dem Fasz haette er nicht lange durchgestanden. Seine Fuesze waren vom Waszer schon ganz schrumpelig geworden. Wer weisz wie lange er schon im Waszer hing.
Da lag er nun vor mir. Ein kleiner, dicker Mann, sah aus wie ein Mexikaner. Oder vielleicht ein Cubaner? Wollte er vor Fidel fliehen? Und ich habe ihn gerettet.
Alles Ruetteln und Rufen half nichts, der Dicke blieb regungslos liegen.
Tot war er nicht, sonst wuerde er gewisz nicht atmen.
Nach kurzer Ueberlegung nahm ich eine der Kokosnuszhaelften mit frischem Trinkwaszer und gab ihm einen Schluck davon zum Trinken.
Trotz, dasz ich seinen Kopf ein wenig anhob, verschluckte er sich fuerchterlich.
Sofort sprang er auf.
Grunzend und Wuergend versuchte er das Waszer aus seinen Lungen zu speien.
Mit der flachen Hand schlug ich ihm auf seinen Ruecken.
Sein Schaedel war schon blau verfaerbt, als er wieder normal zu atmen begann. Unfaehig, irgendeinen Ton hervorzubringen, stuetzte er sich mit ausgestreckten Armen auf den Oberschenkeln ab und spuckte aus.
Er atmete schwer, blickte mich an, laechelte kurz und zeigte mir seinen rechten, ausgestreckten Daumen.
Sprachlos stand er vor mir, als ich ihn fragte, ob alle "OK" sei.
Der Fremde antwortete nicht, sondern sah sich lange auf meinem Flosz um.
Ausgiebig betrachtete er meine Erscheinung.
Welchen Eindruck ich wohl auf ihn machte?
Meine Kleidung bestand aus einem abgewetztem Hemd und einer Art Shorts aus Algen um die Huefte. Abgemagert, mit verwachsener Frisur und langem Bart stand ich vor ihm. Erbaermlich war mein Aeuszeres.
Er hingegen sah wohlgenaehrt aus. Ein rotes Hemd und eine khaki fabene Hose umhuellten seinen prallen Koerper.
"Gracias!", entsprang es aus seinem Munde. Mit einem breiten Laecheln schlosz er mich in seine Arme.
Fest schmiegte er sich an mich. Das war echte Dankbarkeit.
Bevor ich etwas sagen konnte, begann der kleine Dicke auf mich einzureden.
Ich verstand kein Wort, denn er sprach Spanisch.
Der Versuch, ihm deutlich zu machen, dasz ich seine Sprache nicht beherrschte, blieb ohne Erfolg.
"No hablo espanol!", rief ich. Es lies ihn kalt.
Ohne Unterlasz redete und redete er auf mich ein.
Ich verstand "familia", "navio" und irgendwas von "musica".
Egal wie sehr ich mit den Achseln zuckte, der fuehrte seinen Monolog fort.
Nachdem er eine ganze Weile erzaehlt hatte und sein Mund bestimmt schon ausgetrocknet war, vom vielen quatschen, nahm er meine Hand und begann sie energisch zu schuetteln.
"Estoy Paco!".
Soviel verstand selbst ich. Paco war also sein Name.
"Mortimer", sprach ich und zeigte mit dem Finger auf meinen Oberkoerper.
Paco sprang auf mich zu und nahm mich erneut in seine Arme.
Er stellte sich auf Zehenspitzen, um an meine Wange zu gelangen und gab mir einen feuchten Schmatzer.
Als er von mir ab liesz, begann er erneut auf mich einzureden.
Meine Spanischkenntnisze waren eher rudimentaer ausgebildet, es fiel mir schwer den Ausfuehrungen Pacos zu folgen.
Ich glaube es war ihm auch nicht wichtig, ob ich irgendetwas von dem, was er da sprach verstand.
Die Freude darueber, nicht allein auf Hoher See zu sein, versetzte ihn in eine Euphorie, die in ihm einen unkontrollierbaren Redeflusz ausloeste. Faszinierend.
Die Faszination verflog allerdings nach drei Stunden.
Ich hielt mir bereits die Ohren zu und hatte mich von meinem neuen Mitreisenden abgewendet, als Paco immer noch vor sich her brabbelte.
Mein Kopf schmerzte mir. Ich konnte ihn nicht mehr hoeren.
Wie sollte das nur weitergehen, dachte ich mir.
Mit den Fingern rollte ich kleine Algenstueckchen zu Kugeln, welche ich mir in die Ohren steckte.
Pacos Gerede drang nun nur noch in Form eines dumpfen Rauschens an mein Trommelfell. Es liesz sich aushalten.
Mein spanischsprachiger Begleiter hockte neben mir, als ich mich auf die Seite gelegt hatte und zu schlafen versuchte.
Wann hoert er endlich auf zu reden? Was mache ich, wenn er nie mehr aufhoert zu reden?
Ich bereute allmaehlich, dasz ich diesen Kerl auf mein Flosz geholt hatte.
Pacos Redebedarf wurde auch in der Nacht nicht weniger.
Ich war gespannt, wie lange ich es mit ihm aushalten wuerde...
Fortsetzung folgt.
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